Wieso fliegt man eigentlich Wettbewerbe?

Diese Frage beantwortet Florian Kirchberger:

Jedes Jahr die gleiche Frage, die man sich immer wieder stellt, wenn es soweit ist. Weshalb der Aufwand, wieso soll ich soviel Zeit und Geld investieren, wenn ich dafür auch in den Süden fahren könnte? Was zieht einen immer wieder für zwei bis drei Wochen auf einen abgelegenen Flugplatz, wo nichts anderes passiert als Warten auf besseres Wetter oder bei gutem Wetter ein streßiger Flugtag?
Ich kann’s nicht erklären, aber es muß an dem besonderen Flair auf so einem Wettbewerb liegen, daß man sich das immer wieder antut. Vielleicht ist es die rasche Abwechslung zwischen Streß und Entspannung. Oder aber das gesellschaftliche Rahmenprogramm, das um so einen Wettbewerb herum existiert. Man lernt unheimlich schnell Menschen kennen, die eigentlich die gleiche Leidenschaft verbindet: Segelfliegen.
Ich denke die Mischung aus allen Aspekten macht so einen Wettbewerb aus: Man muß organisatorisches Geschick an den Tag legen, man muß zwischenmenschlich Konflikte und Hochstimmungen verarbeiten können, man muß mit Erfolgen und Niederlagen umgehen lernen. Und all das in einem zeitlich und räumlich begrenzten Raum. Was gibt es eigentlich für eine bessere Lebensschule?

Europameisterschaften der Clubklasse 1998 in Jihlava/Tschechien

Ich möchte an dieser Stelle einen kurzen Bericht über die Wettbewerbe abgeben, an denen ich dieses Jahr teilgenommen habe. Ich habe nicht vor, die einzelnen Flugtage wiederzugeben, sondern ich will eher versuchen, die Stimmung und das Drumherum zu schildern.
Angefangen hat die Wettbewerbssaison dieses Jahr mit den Europameisterschaften der Clubklasse in Jihlava (ehem. Iglau) in Tschechien. Jihlava liegt ziemlich genau auf halben Weg zwischen Prag und Brünn an der Autobahn. Die Landschaft dort ist geprägt von sanften Hügeln die vorwiegend bewaldet und mit Getreide bebaut sind. Die Außenlandemöglichkeiten sind sehr eingeschränkt, da das Getreide noch sehr hoch stand. So kam es auch zu einem größeren Schaden und vereinzelt kleineren Schäden an einigen Maschinen.
Das Wetter soll nach Angaben der Organisatoren um diese Zeit (27.6 – 11.7.) sehr homogen sein und hervorragende Flugbedingungen bieten, die geprägt sind von kontinentalen Luftmassen. Leider blieb dies ein Wunschzustand. Unser Wetter war hauptsächlich von inhomogenen Wetterlagen und von Regen geprägt. Obwohl die erste Woche schon Hoffnungen weckte wurde das Wetter doch immer schlechter. Aber alles der Reihe nach.
Das deutsche Team wurde aus acht Piloten und deren Helfern gebildet. Die Piloten waren: Frank Hahn, Tobias Geiger, Axel Reich, Bernd Nübling, Thomas Wartha, Holger Weitzel, Michael Seischab und meine Wenigkeit. Geflogen wurde dabei so, daß das gesamte Team auf einer Frequenz war und sich auch während des Fluges Hinweise und Hilfestellung gab, aber auf Grund der Masse wurde in kleinen Gruppen geflogen. Allein Holger Weitzel zog es vor alleine zu Fliegen, da er keinen geeigneten Partner fand, der mit seiner LS 4 mithalten konnte.
Ich hatte mich mit meinem langjährigen Partner Frank Hahn und mit Tobias Geiger abgesprochen, ein Team zu bilden. Dies klappte aber leider den gesamten Wettbewerb hindurch nicht besonders gut, weil wir es nie schafften über einen ganzen Flug hindurch zusammen zu bleiben. Schon am ersten Wertungstag, der gleichzeitig mein erster Flugtag in Tschechien war, verloren wir uns vor dem Abflug. Und dies war ein äußerst schwieriger Tag, da viel Wind herrschte und gleichzeitig eine sehr geringe Arbeitshöhe (max. Höhe ca. 800 m über Grund) vorhanden war. Nachdem ich vor dem Abflug beinahe wieder landen mußte, flogen die Beiden vor mir ab und ich mußte als allerletzter des gesamten Feldes auf Reisen gehen. Ich hatte nicht viele Treffer bei meiner Suche nach Thermik, so verschlug es mich schon nach wenigen Minuten und 20 km weiter in ein niedriges Maisfeld. Aber es ging nicht nur mir so: Ein österreichischer Fliegerkamerad kam sogar nur 3,6 km weit.
Na ja und so ging es dann auch weiter. Selbst die nächsten drei Tage rief mich der Acker. Eine tolle Serie!! Vier Flüge in Tschechien und jeden Flug einen neuen Acker mit Bewohner kennengelernt. Wenigstens den letzten Flug beendete ich auf dem Startflugplatz, bevor der große Regen kam. Neun Tage hintereinander durften wir nicht mehr starten und nur noch einmal hatten wir das Glück, überhaupt aufbauen zu dürfen. Aber dafür lernte man bei diversen Nationalitätenabenden viele flugbegeisterte Menschen aus den verschiedensten Regionen kennen. Es wurden diverse Trinkriten ausgetauscht und die Flugplatzbar war ständiger Treffpunkt sämtlicher kontaktfreudiger Piloten und Helfer.
Thomas Hünerfauth und Alexandra verkürzten uns (meinem Bruder und mir) die Zeit für ein paar Tage und wir unternahmen einen Ausflug nach Prag.
Nach neun Tagen warten wurden dann endlich die Sieger gekürt. Frank Hahn wurde Europameister vor dem Lokalmatador und Drachenflugweltmeister Thomas Suchanek. Dritter wurde Thomas Wartha und Vierter Axel Reich. Der Rest lag auf die Plätze verteilt.
Alles in allem war es eine wertvolle Erfahrung und ein gutes Training für den nächsten Wettbewerb, der nicht lange auf sich warten ließ.

Deutsche Meisterschaften in Aachen (25.07 – 08.08.98)

Schon zwei Wochen später machten sich der beste Rückholer von Welt (mein Bruder) und ich wieder auf den Weg zu einem neuen Wettbewerbsabenteuer. Diesmal hatten wir noch Verstärkung dabei. Denn Vesti, ein Freund meines Bruders, wurde bei einem Bier im Bräustüberl von meinem Teamkollegen Tim Böttcher angeheuert. Er wußte nicht, was auf ihn zukam, aber trotzdem stürzte er sich mit ins Abenteuer und zeigte allen erfahrenen und langjährigen Rückholern (die ja meistens selber Piloten sind), was ein echter Bursch ausm Toi ois so drauf hot. Schon nach zwei Tagen auf dem Platz wußte er über alles Bescheid und war seinem Piloten ein treuer Knecht.
Die Universitätsstadt Aachen liegt im äußersten Westen von Deutschland, nahe dem Dreiländereck. Da wir über Holland nicht fliegen durften, war es klar, daß sämtliche Strecken nach Süden oder Osten gehen mußten. Im Osten warteten aber schon gewaltige Sperrgebiets- und Kontrollzonenfallen von Köln - Bonn und sonstigen Flugplätzen auf uns. Dank des Loggers ist man auf so einem Wettbewerb zum gläsernen Piloten geworden und die Wettbewerbsleitung ist in der Lage, auch die kleinste Luftraumverletzung zu ahnden. Dies wurde auch einigen zum Verhängnis. Nach Süden wartete der Eifelrücken auf uns, der uns mit tückischen Leefallen das Leben auch nicht gerade erleichterte. So hatten wir bei durchwachsenem Wetter doch sehr interessante Flugtage mit Strecken bis zu 400 km zu bewältigen. Bei diesen Flugtagen ging es zeitweise immer sehr gut und es war richtiges Hammerwetter, aber irgendwann kam dann der Hänger und der Vorsprung den man bei gutem Wetter herausgeflogen hatte, schmolz wieder dahin, als das Wetter zusammenbrach und das ganze Feld wieder auf die vorderen auflief.
Einen kuriosen Flug will ich noch schildern: Im Osten von Aachen stehen kräftige Kohlekraftwerke: Weisweiler ca. 10 km vom Platz und weiter Richtung Osten dann Fortuna! mit fast 30 km Abstand zu Weisweiler. Nochmals 20 km weiter kommt in der Rheinschleife das große Bayer – Werk. Alle drei sind Garanten für kräftige und stark pulsierende Thermik.
Die Strecke verlief genau über diese drei Thermikquellen nach Langenfeld (Heimatflugplatz von Albert) Radevormwald, Langenfeld und wieder zurück zum Flugplatz. Sie war so ausgelegt, daß man mindestens einmal in natürlicher Thermik kreisen mußte um wieder Anschluß an das Bayer - Werk zu bekommen.
Hinzukam, daß das Wetter sehr wechselhaft war. Vormittags bedeckten 8/8 den Himmel und es regnete ein bißchen. Der Meteorologe war aber sehr zuversichtlich und so mußten wir aufbauen. Tatsächlich gab es dann noch ein Wetterfenster und wir wurden geschleppt. Man konnte sich gut halten aber von Westen kam schon die nächste Abschirmung. Also wurde heiß gepokert vor dem Abflug: Wenn man zu früh abflog, konnte man das Pech haben und Radevormwald lag noch unter der letzten Abschirmung. Wenn man zu spät abflog, dann holte einen die nächste Abschirmung ein. Warten war das Motto. Wir legten den Abflugzeitpunkt so, daß die nächste Abschirmung den Platz gerade so erreicht hatte. Dann gaben wir Gas, denn wir konnten sicher sein, daß über der letzten Wende genügend Sonneneinstrahlung war. Ab in erste Kraftwerk. Ein Kraftwerk anzufliegen ist eine heiße Sache! Man weiß, daß dort sehr starke, aber auch sehr ruppige Thermik steht. Die warme Luft aus dem Kühlturm kondensiert meistens sofort wenn sie austritt, und im Lee dieser „Rauchsäule“ steht meistens der Hammer (Steigwerte bis zu 7,5 m/s wurden während des Wettbewerbs vermeldet).
Wenn man jetzt auf den Kühlturm zusteuert und die Säule ist dünn und zieht nicht richtig hoch dann kann man schon erkennen, daß man den Turm zum falschen Zeitpunkt erreichen wird, nämlich dann, wenn kein starker Aufwind anzutreffen ist. Man kurbelt dann vielleicht so mit 1,5 – 2 m/s rum und einer der vielleicht drei Minuten später den Turm erreicht erwischt eine Blase und schießt mit 6 m an einem vorbei.
Darum wurde das zweite Kraftwerk auch Fortuna getauft.
Aber zurück zum Flug: Wir stürzten uns wie alle anderen auch von Kraftwerk zu Kraftwerk. Kurbelten glücklicherweise an der Wende sehr hoch, so daß wir in Fortuna gerade so über Kühlturmhöhe ankamen, da das Bayer- Werk beim Zurückflug keinen Muckser mehr von sich gab. Einige mußten in 300 m über Grund eine halbe Stunde lang parken bis die nächste Ablösung sie wieder auf Höhe brachte. Inzwischen ist auch schon die zweite Abschirmung bis hinter Fortuna fortgeschritten. Die letzten 40 km unseres Fluges absolvierten wir unter 8/8 Bewölkung. Nur durch Kraftwerke kam dieser Wertungstag überhaupt zustande und er war reinstes Roulette. Denn wenn man Glück hatte war man sauschnell und wer Pech hatte kam nicht von der Stelle. Der schnellste an diesem Tag flog mit einer ASW15 einen Schnitt von 100,4 Km/h. Die beiden die beim Bayer - Werk parken mußten erreichten immerhin noch einen 58er Schnitt. Ich war Tagesfünfzehnter mit einem Schnitt von 94,9 km/h.
So wie das Glücksspiel mit den Kraftwerken stattfand, so verhielt es sich auch mit dem Wetter. Insgesamt wurden sechs Tage geflogen wobei am Ende eine äußerst knappe Wertung zustande kam. Die ersten zehn der Wertung lagen innerhalb von 150 Punkten was eigentlich fast nichts ist.
Aber am Abend wurde wie bei fast jedem Wettbewerb der Club- und Doppelsitzerklasse das Konkurrenzdenken beiseite gelegt und miteinander diskutiert und gefeiert und mit Kartoffelkanonen über den Campingplatz geballert. Ab und zu mußten wir auch Martina, die uns die zweite Woche besuchen kam, in unseren Pool werfen oder mit Wasserpistolen abkühlen.
Ich kann nur jedem empfehlen einmal einen Wettbewerb mitzufliegen. Im übrigen findet in Weißenburg ein offener Clubklassewettbewerb statt. Wenn jemand Interesse hat, darf er /sie sich gerne bei mir melden.

Flori