Als Segelflugeinsteiger das erste Mal in Südfrankreich:

Serres März 2009 - Das volle Programm!

Im vergangenen Jahr hatte ich beschlossen einen langehegten Traum in die Tat umzusetzen und das Fliegen zu erlernen. Es war gewiss keine spontane Idee, da ich mich schon seit Jahren für die Fliegerei interessierte und auch beruflich über einen längeren Zeitraum damit zu tun hatte. Allerdings hatte ich bis dahin primär an den Motorflug gedacht. Dem Segelflug schenkte ich keine besondere Aufmerksamkeit. Was sollte da schon gehen, so ganz ohne Motor und in höchstem Maße vom Wetter abhängig.
Mit meinen ersten Schnuppertagen in Geitau begann ich jedoch in eine für mich vollkommen neue Welt zu blicken. Dem geneigten Segelflieger sage ich mit den nachfolgenden Beschreibungen gewiss nichts Neues, aber die Erfahrung dieses sanften Gleitens im Alpensegelflug, nur das Rauschen des Fahrtwindes in den Ohren und einer Perspektive die vollkommen faszinierende Blicke freigibt, hat mich schlagartig in ihren Bann gezogen. Kein Motorgeräusch stört, kein gradliniges Fliegen von A nach B über C, sondern eine sehr elegante Bewegung im weitgehenden Einklang mit den natürlichen Gegebenheiten und Möglichkeiten eröffnete mir einen Blick für die Fliegerei, der mir bislang verborgen war – Fliegen pur.
Für mich stand damit fest, dem möchte ich mich nähern. Ohne an dieser Stelle viele Worte über die Ausbildung zu verlieren, habe ich im Juli 2008 mit ersten kleinen Schritten begonnen und Ende Oktober meine ersten Alleinflüge im Bergfalken unternommen, um dann noch einige Runden im Spatz zu drehen. Im Wesentlichen bestanden meine Erfahrungen damit in der Kultivierung meiner Fertigkeiten in der Platzrunde. Umso erstaunter war ich daher über Sebi´s Frage, ob ich nicht im März 2009 nach Serres mitkommen wolle. Ohne genau zu wissen was auf mich zukommen würde, sagte ich zu.

Nun war es soweit, Sebi, der Janus und ich waren auf dem Weg nach Serres. Dort wurden wir bereits von Fridolin und Ernst erwartet, die kurz vor uns angekommen waren. Alex kam einen Tag später auch an und wir waren komplett. Bereits auf der Fahrt erfuhr ich vieles über die Region, die Berge und ihre Namen. Um ehrlich zu sein, viel konnte ich mir davon nicht merken und daran änderte sich zunächst auch nicht viel. Eines wurde mir sehr rasch klar, hier wird alles anders. Anderer Flugplatz, andere Region und Topografie, andere meteorologische Gegebenheiten, anderes Flugzeug, längere Flugzeiten und die ersten F-Schlepps unter nicht ganz einfachen Bedingungen. Kurzum, eine unglaubliche Erweiterung meines doch recht kleinen fliegerischen Horizontes erwartete mich: Das volle Programm.
Am nächsten Tag war es soweit. Der erste Flug stand bevor. Schon während des Aufbaus des Janus gab es reichlich Gelegenheit zur Beobachtung der F-Schlepps. In gewisser Weise beeindruckte mich diese Startart bereits beim Zuschauen, nicht zuletzt auch auf Grund der teilweise anspruchsvollen Windsituation beim Start. Irgendwo hatte ich einmal aufgeschnappt, dass der F-Schlepp angeblich einfacher sein solle, als der Windenstart. Bei diesem Anblick jedoch, konnte ich das nicht so recht nachvollziehen.

Nun endlich, der erste Start in Serres. Offen gesagt, kam ich mir vor, wie bei meinem ersten Windenstart und war durchaus beruhigt, als wir eine gewisse Sicherheitshöhe erreicht hatten.
Unser Schlepp ging an den Hang des Apôtre, dort gewannen wir rasch an Höhe und konnten leichte Wellen nutzen, die sich aus der vorherrschenden Südostlage heraus ergaben. An den folgenden Tagen dominierte der Mistral.
Die Fülle der neuen und ungewohnten Eindrücke war enorm und ich hatte doch gewisse Probleme die Orientierung nicht in jeder Hinsicht zu verlieren. In der Platzrunde zur Landung rebellierte schließlich mein Magen und ich wurde ein wenig weiß um die Nase. So schnell die aufkommende Übelkeit gekommen war, so schnell war sie zu meinem Erstaunen wieder verflogen. Der erste Flug war geschafft und ich war bereits jetzt um vielfältige Eindrücke reicher.

An dieser Stelle soll nicht über jeden einzelnen Flug berichtet werden, denn soviel sei vorab gesagt, sie waren allesamt unglaublich beeindruckende Erlebnisse.

Wellenflüge:
Wir hatten mehrfach die Gelegenheit Wellenflüge zu unternehmen. An die damit verbundenen anfänglichen Turbulenzen in den Rotoren hatte ich mich zu meiner eigenen Überraschung recht rasch gewöhnt, den Respekt davor wollte ich allerdings nicht so recht verlieren. Sebi tat allerdings sein Bestes, um die Einflüge in die Wellen so angenehm wie möglich zu gestalten. Was dann folgte, war einfach nur faszinierend schön. Völlig ruhig ging es mit zum Teil beträchtlichen Steigraten nach oben. Vor uns eröffnete sich höchst beeindruckend das Alpenpanorama vom Rohnetal über das Monte Blanc Massiv in der Ferne, die Encrins bis hin zum Monte Viso und der Senke in Richtung Mittelmeer. In vollkommen turbulenzfreier Luft stiegen wir mehrfach bis auf knapp 6000m Höhe. Solche Blicke waren mir bislang nur als Passagier von Verkehrsflugzeugen vergönnt. Doch dies ist kein Vergleich mit dem unmittelbaren Erleben im Cockpit eines Segelflugzeuges - einfach Phänomenal.
An diesen Wellenflugtagen erwarteten uns in der Höhe Starkwindfelder. Bereits am Boden blies der Wind recht ordentlich aus nördlichen Richtungen. In der Höhe steigerte sich die Windgeschwindigkeit auf teils über 130 Km/h. In einer Welle über den Ecrins standen wir gewissermaßen in der Luft. Die Flugzeugnase in den Wind gerichtet, flogen wir teilweise sogar rückwärts. In dieser Position und mit konstanter Steigrate eröffnete sich Stück für Stück ein gewaltiges Bild vor uns. Lässt man hier den Steuerknüppel los, so verharrt das ausgetrimmte Flugzeug beinahe bewegungslos in der laminaren Strömung – eine unglaubliche Fliegerei.
Mir hat sich an diesen Tagen die wahre Bedeutung des Begriffs „Wellenreiten“ eröffnet. Es kommt tatsächlich einer Art Surfen auf einer gigantischen Luftwelle gleich. Allerdings ist dies in Geschmeidigkeit und Elegance kaum zu überbieten. Das dieses Vergnügen bei bis zu minus 30 Grad Außentemperatur stattfindet sei nicht verschwiegen, aber es ist die frostige Nase in jeder Sekunde wert.
Während unseres ersten Wellenflugtages, der teils auch etwas ruppig ausfiel, waren bereits vom Flugplatz aus mächtige Wolkenbilder zu beobachten. Neben großen Lenits, die noch deutlich über 7000m standen, gab es mächtige Rotorwolken zu sehen. Schon ein wenig furchteinflößend zu beobachten, wie die Luft an den Luv-Seiten dieser Ungetüme heftig turbulent im Expresstempo aufsteigt, um an der Lee-Seite wieder hinab zu schießen. Es ist in der Tat kaum zu glauben, dass unmittelbar darüber absolute Ruhe herrscht. Überhaupt ist die „Wolkenlandschaft“ mindestens genau so aufregend, wie die Aussicht auf den Boden. Was ich hier an Wolkenbildern gesehen habe, kannte ich bislang nur von Naturfilmaufnahmen – Vielfalt pur.
Wenn sich zum späten Nachmittag dann der Flug dem Ende entgegen neigt, erhält die Natur einen ganz neuen Glanz. Es lässt sich beobachten, wie sich der Firnschnee von gleißendem Weiß hin zu einem Sandrot verändert. Ebenso wechselt der Himmel seine Farbe. Einfach toll dies aus größer Höhe im beinahe 360 Grad-Panorama ansehen zu können. Ich muss zugeben, dass ich hier noch eine ganze Zeit lang weiterschwelgen könnte.

Thermik kurbeln:
Ist beim Wellenfliegen erst einmal eine Welle erreicht, ist dies Ruhe pur. Das Gegenteil davon bildet das Kurbeln in schwacher, zerrissener Thermik und insbesondere in Rotoren. Hier habe ich erfahren, dass Segelfliegen auch harte Arbeit bedeutet. Dies gilt insbesondere dann, wenn die Höhe für den Heimflug nicht ausreichend ist und die Bedingungen durchaus auf eine potenzielle Außenlandung verweisen. Gerade in diesen Situationen wurde mir sehr bewusst, das Segelfliegen eine mental hoch anstrengende Tätigkeit ist, die mit hoher Konzentration auszuüben ist. Es gilt potenzielle Aufwindgebiete auszumachen, Außenlandemöglichkeiten kontinuierlich zu checken, die Wetterbedingungen zu verstehen, den Luftraum zu beobachten, sich zu orientieren und natürlich auch unter teils äußerst ruppigen Bedingungen höchst effizient und vor allem sicher zu fliegen. Dabei bleibt insgesamt kaum Zeit, denn diese Aktivitäten erfolgen gewissermaßen parallel und man kann nicht mal eben rechts ran fahren, um in die Karte zu schauen. Ist es dann geschafft und der Heimatflugplatz in Gleitreichweite, dann bedarf es noch der vollen Konzentration, um eine sichere Landung hinzulegen. Sebi´s fliegerisches Können hat mich auch in diesen Situationen mal wieder sehr begeistert und beeindruckt.

Unsere Ausflüge:
Obschon ich mit Südfrankreich zumeist gutes Wetter verbunden habe, gab es doch einige Tage, die grau und kalt waren. Aber die Laune ließ sich davon niemand verderben. Denn einerseits wartete die Aussicht auf bevorstehende tolle Flüge und andererseits unternahmen wir einige Ausflüge in die Region. Sisteron, Die und La Motte – wo wir Ulli suchten – standen an unterschiedlichen Tagen auf dem Programm.
Auf Grund des Wetters ließ sich die Landschaft nicht so recht genießen, aber ein Kaffee hier und da ließ die Sonne wieder scheinen.

Fazit:
Ich kann nur sagen, dass ich mich hier in Serres sehr wohl gefühlt habe. Ob es das gute Miteinander war, Sebi´s Kochkünste und fliegerische Fähigkeiten, alles war einfach sehr gut. Irgendwie hatte ich den Eindruck auf einem großen Familientreffen zu sein und jeden Abend gab es opulente Leckereien in großer Runde, ob in unserer Küche oder beim „dicken Wirt“.
Mir hat sich hier ein neues Fenster geöffnet. Wie ich das Segelfliegen hier mit Sebi erleben durfte, ist nur schwer in Worte zu fassen. Meine kleine fliegerische Welt wurde in Serres dramatisch erweitert und das Buch des Fliegens hat viele neue Kapitel bekommen. Ich habe im wahrsten Sinne des Wortes gesehen, wohin die Reise gehen kann.

Zum Schluss noch ein paar Bilder aus Serres

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